Mein Ruhepol – wenn Wasser den Puls beruhigt

Es gibt Tage, da flüstert die Welt: Langsamer. Am Wochenende gab es zum Glück solche Tage des Ausruhens inmitten der bayerischen Seenlandschaft, eingebettet in eine Baumlandschaft und umgeben von flirrenden Libellen.

Das Auto bleibt am Wegesrand zurück. Das Zuschlagen der Türen fühlt sich wie ein sanftes „Schluss jetzt“ zum Lärm da draußen an. Ein Pfad hinunter zum Wasser. Warme Luft – der Schrei nach Abkühlung. Unter meinen Füßen kleine Steine. Wer hier wohl schon alles innegehalten hat?

Unten am Ufer liegt ein verwittertes Board – ein altes Brett könnte man schon fast sagen, das längst aus der Zeit gefallen ist. Ich schiebe es vorsichtig ins seidig glatte Wasser. Kein Paddel heute. Nur meine Hände, meine Arme, mein eigener Rhythmus. Langsame Züge durchs Wasser, während der See mich aufnimmt. Jeder Schlag mit den Armen bringt mich weiter in die Stille hinein. Weiter weg vom Denken, näher an mich.

In der Mitte des kleinen Sees lasse ich die Bewegung ausklingen. Das Board schaukelt sacht. Der Horizont weitet sich. Links glühen die Baumwipfel im Abendlicht, rechts ziehen ein paar Fische unter Wasser ihre Spur. Der Sonnenuntergang beginnt nicht filmreif und dramatisch, sondern ganz leise: ein zarter Farbstreifen, der sich langsam ausrollt wie ein Tuch über die Hügel. Orange mischt sich in Gold, Gold in blasses Rosa, bis der Himmel aussieht, als hätte jemand Aquarellfarbe in klares Wasser tropfen lassen.

Ich merke, wie mein Atem ruhiger wird, mein Herzschlag langsamer. Der See wird zum Spiegel – nicht nur für den Himmel, sondern auch für mich. Gedanken treiben davon wie Holzstückchen, die kein Ziel haben außer dem langsamen Anlanden irgendwo am anderen Ufer.

Vielleicht ist genau das ein Ruhepol: nicht Abwesenheit von Bewegung, sondern Präsenz im Wesentlichen. Der Wald ringsum bleibt fest verwurzelt, der See hält alles zusammen – und ich glaube fest daran, dass wir solche Orte nicht nur finden, sondern mit jeder Rückkehr auch in uns selbst ein Stück weiterbauen.

Und einen Tag später – mit Sonnencreme auf der Haut und dem Wind im Rücken – geht’s dann noch zum Ammersee. Diesmal mit dem SUP. Die Arme arbeiten weiter, aber ganz anders. Mehr Ausblick. Mehr Weite. Mehr Ich.

Und ihr? Wo spürt ihr euren persönlichen Ruhepol – am Wasser, im Wald, in euch? Welche täglichen Geräusche dürften für einen Moment verstummen, damit ihr eure innere Stille hört? Wann habt ihr euch zuletzt erlaubt, ein ganzes „Nichts“ zu genießen?

Laura Janzer

Himmelswerkstatt by LAJA

Freie Traurednerin und Gestalterin freier Trauzeremonien

https://www.himmelswerkstattbylaja.de/
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